Stille Geburt – wenn die Schwangerschaft nicht mit der Geburt eines lebenden Kindes endet.

Stille Geburt - Kerze

Triggerwarnung – In diesem Blogbeitrag geht es um den Tod und Verlust.

 

Nicht jede Schwangerschaft endet mit einer Geburt eines lebenden Kindes. Der Tod des eigenen Kindes möchte kein Elternteil erleben. Dennoch müssen sich einige Eltern bereits sehr früh von ihrem Kind verabschieden. Zwischen Schuldgefühlen, Wut, tausenden Fragen, Hilflosigkeit, zerstörten Träumen & Hoffnungen und einer großen Einsamkeit, die Gefühle sind vielfältig und unbeschreiblich. Mit einer einfühlsamen, professionellen Begleitung und einem verständnisvollen Umfeld, kann diese schmerzhafte Zeit und der Trauerprozess begleitet werden.

Wir möchten in diesem Blog Artikel Sternenkind Familien einen Platz geben, denn viel zu oft wird der frühe Verlust eines Kindes tabuisiert und Betroffene haben selten die Möglichkeit das Thema offen anzusprechen und sich gut darüber zu informieren. Trotzdem sind sie eben da: Familien, die ihr Baby früh verabschieden mussten und ihre Trauer. Auch für nicht direkt Betroffene ist es deshalb sehr wichtig sich zu informieren, um im eigenen Umfeld entsprechend sensibilisiert zu sein und Ängste loszulassen.

 

Deshalb findest du in diesem Blogartikel Informationen zu Definitionen, rechtlichen Ansprüchen, Hebammenhilfe, Psychologische Hilfe und einen Erfahrungsbericht einer Sternenkind Mama und welche Unterstützungen sie hatte.

 
Vanessa Zachwey

Vanessa Zachwey

…ist Co Gründerin von Mamagold, zertifizierte Pilates Trainerin, sowie Hebamme seit vielen Jahren. Expertin auf ihrem Gebiet ist sie durch zahlreiche Fort- und Weiterbildungen im Bereich Beckenboden, Rektusdiastase, Pre- und Postnatal Training, sowie ihrer jahrelanger Erfahrung im Unterrichten von Pilateskursen in der Schwangerschaft und nach der Geburt.

05.09.2023

 

Definition und Statistik

 

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 3 247 Kinder tot geboren und 738 819 Kinder wurden lebend geboren.

Stirbt ein Kind noch vor oder kurz nach der Geburt, spricht man von Sternenkindern. Wiegt ein Kind bereits über 500 Gramm oder ist mindestens die 24. Schwangerschaftswoche erreicht und wird totgeboren, spricht man von einer Totgeburt. Wenn das Kind dabei keinen Laut von sich gibt, wenn es geboren wird, spricht man auch von einer „stillen Geburt“.

Erfahrungsbericht – Unser Sternenkind Baby E.

Julia und ihr Mann haben auch ein Sternenkind. Baby E. kam im Oktober 2021 in der 42. Woche still zu Welt. Julia erzählt uns wie es ihr nach dem Verlust Ihres 1. Kindes erging.

 
Julia Z.

Julia Zynda

… ist seit vielen Jahren zertifizierte Pilates Trainerin und seit Februar 2023 Yoga Trainerin (YTT200). Durch zahlreiche Pilates Weiterbildungen sowie Fort-und Weiterbildungen im Bereich Beckenboden und einer Prä- und Postnatal Yoga Ausbildung hat sie ihr Wissen stetig erweitert. Sie freut sich werdende Mamas und Mamas auf Ihrem Weg durch die Schwangerschaft und Rückbildungszeit zu begleiten.

05.09.2023

„Wochenbett?! Schonen, aber alleine Zuhause ohne Baby? Es war für mich einfach unvorstellbar.

Meine Hebamme Selina kam ein Tag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu uns nach Hause. Selina sprach viel mit uns bei ihren Besuchen und hat uns mit ihrer liebevollen Art emotional begleitet. Mich plagten auch Schuldgefühle hinsichtlich meines Körpers und ich fühlte mich nicht mehr eins mit ihm. Ich hatte das Gefühl ich hatte versagt und spürte, dass mein Körper nicht im reinen war. Das Trauma der Geburt und auch die Trauer setzten mir zu.

Selina zeigte mir einige Tage nach der Geburt leichte Rückbildungsübungen, welche ich nach und nach steigern durfte. Für mich ging es zudem Zeitpunkt eher darum, dass ich eine Beschäftigung hatte und in gewisser Weise mein Körper heilen durfte. Tägliche Spaziergänge in der Natur habe ich ebenfalls als angenehm empfunden. Ich glaube, dass man durch Bewegung viel verarbeiten kann. Selina hat mich auch immer wieder daran erinnert mit meinem Körper geduldig umzugehen und ihm die Zeit der Regeneration zu geben. Es war jedoch schwer dem Körper zu vertrauen und in Verbindung zu treten.

Über eine Freundin bekam ich den Kontakt von meiner jetzigen Trauerbegleiterin Jacqueline. Sie stand mir jeden Tag zur Seite. Sie erklärte mir meine Gedanken und Gefühle und auch das Verhalten des Umfeldes. Anfangs konnte ich anderen nicht in die Augen schauen aus Angst ihre Blicke zu sehen. Ich habe auch gespürt, dass andere Begegnungen nicht wussten, wie sie auf uns reagieren sollen, schon allein am Blick im Augenwinkel. Trauer ist sehr komplex und überfordert oft das Umfeld. Die Meisten wissen nicht was sie sagen oder tun sollen und jeder möchte vermutlich anders behandelt werden in der Trauer. Ich war und bin nach wie vor sehr dankbar und glücklich Jacqueline an meiner Seite zu haben.

Ich suchte Wege das Erlebte aufzuarbeiten und damit umgehen zu können. Ich sprach viel mit meinem Mann. Allein wir zwei haben die Geburt gemeinsam erlebt und es kann keiner nachvollziehen was wir erlebt haben. Ich wollte Anfangs kaum jemanden sehen. Irgendwann dann Familie und enge Freunde. Auch die Gespräche über Baby E. und die Anwesenheit von Freundinnen und Familie empfand ich als stützend. Nach der Geburt habe ich angefangen das Geburtserlebnis als eine Art Brief an Baby E. runter zuschreiben. Wir haben Baby E. zur Beerdigung einen Brief geschrieben. Sie bekommt nun zu jedem Himmelsgeburtstag einen Brief geschrieben.

Anstatt Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke spenden wir für einen guten Zweck. Mir ist nach wie vor wichtig über Baby E. zu sprechen und zu zeigen, sie gehört zu uns, auch wenn sie nicht sichtbar bei uns ist.

In der Vergangenheit hatte ich die tolle Arbeit von Milena, Expertin für Stressbewältigung & mentale Gesundheit, erleben dürfen und ich entschied mich auch hier mit ihr in einer Hypnose Arbeit das Erlebte aufzuarbeiten. Ich spürte, dass weiterhin was mit meinem Körper noch nicht in Ordnung war. Ich reagierte auf einige Lebensmittel und bekam zunehmend Hautprobleme. Ich machte einen Termin bei einer Heilpraktikerin aus. Ich erzählte ihr unsere Geschichte und die Probleme nach dem Erlebten. Nach einigen Tests haben wir die Ursache gefunden und wir konnten meinen Körper nach einigen Wochen wieder ins Lot bringen.

In der Schwangerschaft mit unserer 2. Tochter, unserem Regenbogen Baby, habe ich wundervolle Yoga Stunden und Gespräche mit Susi verbringen dürfen. Es ist auch hier ein unbeschreiblich intensiver Austausch, um das Erlebte zu verarbeiten. Susi hat selbst eine stille Geburt durchlebt.

Vor den beiden Schwangerschaften war ich als Pilates Trainerin tätig. Sport gehört für mich zum Leben dazu. Ich habe mich auch in den Schwangerschaften viel bewegt und auf die Schwangerschaft angepasst Sport gemacht. Daher war mir bewusst, dass eine Rückbildung essentiell ist. Ich war jedoch emotional nicht bereit dazu mit „happy“ Moms Rückbildung zu machen. Zu dem Zeitpunkt gab es leider keinen Sternenkind Mama Rückbildungskurs vor Ort oder in der Region und habe dann einen Rückbildungskurs „on demand“ gemacht.

Daher ist für mich eine Herzensangelegenheit anderen Sternenkind Mamas, die Ähnliches erlebt haben, einen Postnatal Pilates Kurs anzubieten. Es soll ein Ort sein, an dem die Mamas sich Zeit für Ihren Körper nehmen.

Horizont

Mir hat es einfach geholfen mir Zeit zu nehmen. Zeit zu nehmen das Erlebte zu realisieren, anzufangen zu verarbeiten, irgendwie einen Weg zu finden mit dem Erlebten umzugehen und unsere Tochter im Alltag zu integrieren. Unsere Tochter wird immer ein Teil von uns sein.

Schöne Farbspiele am Himmel werden oft als “Sternenkinder malen schön” bezeichnet. Kleine Zeichen von den Sternenkindern aus dem Himmel.

Hebammenhilfe nach einer stillen Geburt

Hebammenhilfe

Was tatsächlich häufig in dieser schmerzhaften Zeit mit viel Bürokratie, leider untergeht und worüber viel zu selten aufgeklärt wird ist, dass Sternenkind Mamas immer Anspruch auf Hebammenhilfe haben. Diesen bezahlt die Krankenkasse und zwar unabhängig davon, wieviel das Baby wiegt und in welcher Schwangerschaftswoche das Baby tot geboren wurde.

Es ist so wichtig, dass Frauen über diese Unterstützung informiert sind, denn gerade in dieser Zeit wird Unterstützung, Raum für Gespräche über den Verlust, das Aufarbeiten der Geburt dringend benötigt. Aber nicht nur das, denn auch wenn das Baby tot geboren wurde, befindet sich der mütterliche Körper in der Rückbildungszeit. Das bedeutet, dass die Hebamme auch als medzinische Fachperson die körperlichen Prozesse vor, während und nach der Geburt eines Sternenkindes bewacht. Im Wochenbett bedeutet dies: die Versorgung von Geburtsverletzungen, den (Ab-)stillprozess begleiten, die vaginale Blutung beurteilen, die Beckenbodenrehabilitation fördern und Rückbildungsübungen erklären und vieles weiteres mehr.

In den ersten zehn Tagen nach der Geburt kann die Hebamme täglich bis zu 2 Hausbesuche (wenn notwendig) machen. Danach besteht noch Anspruch auf 16 Hausbesuche verteilt auf 12 Wochen nach Geburt.

Rückbildung nach einer stillen Geburt

Jede Frau hat nach einer Totgeburt Anspruch auf einen Rückbildungskurs

Die Teilnahme an einem Rückbildungskurs ist auch nach einer kleinen oder stillen Geburt ratsam und sehr wichtig.

Selbstverständlich ist die Vorstellung zwischen anderen glücklichen Mamas mit ihren Babies zu sein, nicht zu ertragen. So passiert es, dass das Thema Rückbildung bei vielen Sternenkind Mamas zu kurz kommt. Dies dann leider auf Kosten ihrer körperlichen Gesundheit. Außerdem haben viele Sternenkind Mamas erst einmal keine mentale Kapazität sich um dieses Thema zu kümmern, die Körpermitte ist häufig ein traumatisierter Bereich und Erinnerung an den Verlust.

Trotzdem sind Sternenkind Mamas eben schwanger gewesen, somit hat der mütterliche Körper diverse Veränderungen durchlaufen. Beginnend von der hormonellen Umstellung und dadurch die häufig einsetzende Beckenbodenschwäche, zusätzlich das Gewicht des Babys (je fortgeschrittener die Schwangerschaft desto mehr Belastung auf den Beckenboden), bis zur Rektusdiastase und Bauchwandschwäche. Zusätzlich die Beckenboden Dehnung (bei einer vaginalen Geburt) und/oder Geburtsverletzungen. Selbst wenn keine spürbare Beckenboden- oder Bauchwandschwäche, wie z.B. eine Inkontinenz oder Rückenschmerzen da sind, viele Beschwerden treten erst viel später ein, wenn keine Rückbildung durchgeführt wurde.

Wir möchten hier für betroffene Mamas ab Januar 2024 ein Angebot schaffen und die Möglichkeit geben auch mit ihrer Trauer die Rückbildungsreise in einem geschützen Rahmen anzutreten. Schreib uns gerne an hallo@mamagold.de wenn du Interesse hast und mehr erfahren möchtest.

Die Kosten für einen Rückbildungskurs einer Hebamme werden i.d.R. von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, wenn der Kurs innerhalb der folgenden 9 Monate nach der (stillen oder kleinen) Geburt beendet wurde. Bitte erfrage vor Kursstart immer individuell bei deiner Krankenkasse ob bzw. welchen Kurs sie erstatten. Auch wenn es ein Selbstzahler Kurs ist, wird manchmal anteilig etwas übernommen. So oder so, egal ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt oder nicht: Es macht immer Sinn einen speziellen Rückbildungskurs zu besuchen.

Ab wann die Kursteilnahme sinnvoll ist, entscheidet sich je nach Schwangerschaftswoche in der das Baby still geboren wurde. Häufig wird empfohlen bis zur 8. Woche nach Geburt abzuwarten, es kann aber auch früher schon sinnvoll sein. Grundsätzlich sollten die Wundheilung und die vaginale Blutung abgeschlossen sein.

Für den individuell richtigen Zeitpunkt ist es ratsam, sich den Rat bei der Hebamme oder Gynäkologe/-in einzuholen. Auch wenn die Geburt bereits länger zurück liegt, ist es nicht zu spät und immer sinnvoll sich diese Aufmerksamkeit zu schenken und etwas für die Rückbildung zu tun. Die Teilnahme an einem speziell an Sternenkind Mamas ausgerichteten Rückbildungskurs ist nicht nur ein wichtiger Baustein für die körperliche Heilung, sondern kann auch mental sehr heilsam sein.

Wir möchten hier für betroffene Mamas ab Januar 2024 ein Angebot schaffen und die Möglichkeit geben auch mit ihrer Trauer die Rückbildungsreise in einem geschützen Rahmen anzutreten. Schreib uns gerne an hallo@mamagold.de wenn du Interesse hast und mehr erfahren möchtest.

Psychotherapeutische Hilfe

Sternenkind Mamas haben, wenn sie es wünschen, Anspruch auf psychotherapeutische Hilfe. Dabei können sie entweder direkt selbst einen/eine Psychotherapeuten/-in aufsuchen oder zunächst über den/die Gynäkologen/-in oder Hausarzt/-ärztin eine Überweisung erstellen lassen. Die Kosten bei kassenärztlich zugelassenen Psychologen/-innen werden von der Krankenkasse übernommen.

 
Definition Sternenkind

Rechtliche Ansprüche

Mamas nach einer Totgeburt haben, genauso wie Mamas nach einer Lebendgeburt, Anspruch auf Mutterschutz (bis 8 Wochen nach Geburt). Der Arbeitgeber darf dann betroffene Mamas in dieser Zeit normalerweise nicht beschäftigen. Außerdem besteht auch Anspruch auf Mutterschaftsgeld, sowie Arbeitgeberzuschuss. Auf eigenen und ausdrücklichen Wunsch hin, können Sternenkind Mamas schon vor Ablauf des Mutterschutzes wieder beschäftigt werden (frühestens ab der 3. Woche nach Geburt).

Nach einer Fehlgeburt oder auch „kleine Geburt“ genannt, also die Geburt eines toten Kindes vor der 24. Woche mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm, besteht kein rechtlicher Anspruch auf Mutterschutz und Mutterschaftsgeld. Stattdessen können sich Frauen krankschreiben lassen und es gelten die Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung. Eventuell gibt es hier bald eine Gesetzesänderung, Anspruch auf Mutterschutz sollen dann alle Frauen haben, die nach der 20. Schwangerschaftswoche eine Fehl- oder Totgeburt haben.

Seit 2013 können Eltern nach einer stillen Geburt, ihr Sternenkind beim Standesamt mit Namen anmelden, die Geburt dokumentieren lassen und somit eine Geburtsurkunde erhalten. Zudem hat jede Familie das Recht ihr Sternenkind bestatten zu lassen. Ab wann die Bestattungspflicht eintritt, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Allerdings gilt einheitlich: keine Bestattungspflicht der Eltern für tot geborene Kinder unter 500 Gramm Geburtsgewicht bzw. in Hessen vor Ablauf des 6. Schwangerschaftsmonats.

Beide Elternteile haben nach der Geburt eines Kindes Anspruch auf Elternzeit. Die Elternzeit muss spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Stirbt das Kind, so endet die Elternzeit drei Wochen nach dessen Tod. Elterngeld wird pro Lebensmonat des Kindes gezahlt. Das bedeutet, dass es für tot geborene Kinder kein Elterngeld gibt.

Sternenkind Hand

Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von Ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.

Antoine de Saint-Exupéry – Der kleine Prinz

Wie geht es weiter?

 

Julia wird bei uns Anfang nächsten Jahres einen Sternenkind Mama Postnatal Pilates Kurs (Art Rückbildung) anbieten. Gerne könnt ihr uns bei Interesse und Fragen dazu, an hallo@mamagold.de schreiben. 
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Vanessa und Julia
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